– die Bundeswehr öffnete für uns die Tore
Wer öfters am Starnberger See ist, kennt das Floß mit dem Haus drauf, das Sommer wie Winter beinahe täglich auf dem Wasser schwimmt: Die Tauchinsel der Bundeswehr - näher als 50m darf da keiner ran. An Land militärisches Sperrgebiet umzäunt mit Stacheldraht: Zivilpersonen ist der Zutritt zum Gelände direkt am See und mit sensationellem Zugspitzblick verboten, doch am 10. April 2019 öffnete Hauptmann Stefan Kühlmann die Schranke für die rund 30 TeilnehmerInnen der Führung aus der Reihe Region | Wasser | Identität. Im Vorfeld waren die Plätze für den Besuch bereits kurz nach der Ankündigung ausgebucht, die einhellige Meinung: es hat sich absolut gelohnt, denn das Team gab jede Menge spannende Einblicke in die tägliche Arbeit der Bundeswehr – über und unter Wasser.
Erster Eindruck auf dem Gelände: Eine charmante kleine Siedlung mit Holzhäuschen und roten Fensterläden, die erstmal gar nicht nach Bundeswehr aussieht. Der einleitende Vortrag von Hauptmann Kühlmann über die Ausbildung mit der sperrigen Abkürzung „KpfmAbwTaucher“ (Kampfmittelabwehr-Taucher) bringt die Anwesenden zum Staunen. Wussten Sie zum Beispiel, dass die Ausbildung zum Einsatzleiter insgesamt 7 Jahre dauert, davon nur 45 Wochen Grundlagenausbildung sind? Wer diesen Beruf wählt, sollte sich möglichst früh entscheiden. „Eigentlich liegt die Altersobergrenze für Taucher schon bei 52 Jahren “, erklärt der Hauptmann, der das ganze Jahre über in der Kaserne in Percha Soldaten ausbildet.
Sport ist einer der wichtigsten Punkte auf dem täglichen Programm, regelmäßig werden die Soldaten auf ihre physische und psychische Leistungsfähigkeit geprüft. Die Tauchgänge finden im Wechsel am Vor- oder Nachmittag statt. Länger als 6 Stunden darf aus medizinischen Gründen nicht getaucht werden, aber bei 4 Grad Wassertemperatur im Starnberger See ist man danach mit Sicherheit auch ordentlich durchgekühlt – trotz Neopren- und Trockentauchanzug. Bis maximal 50 Meter gehen hier die Taucher in die Tiefe. Bei dieser Tiefe ist übrigens kein großer Temperaturunterschied zwischen Sommer und Winter: Unter der sogenannten „Sprungschicht“ ist der See recht konstant 4 Grad kalt – unabhängig von der Jahreszeit.
Zur Ausbildung gehört es beispielsweise, unter Wasser zu schweißen oder den Grund taktisch nach Kampfmitteln abzusuchen und diese zu bestimmen. Wichtig ist, dass die Taucher alle Handgriffe genau beherrschen. Wenn man 50 Meter unter der Wasseroberfläche ist, kann man nicht kurz auftauchen und eine Frage stellen oder sich mit andern absprechen. „Da unten ist man ein Stück weit allein und muss in der Lage sein, mit Ruhe und Übersicht die richtigen Entscheidungen zu treffen“ so Hauptmann Kühlmann. Auch ein mathematisches Grundwissen sollten die Taucher haben, um bei Sprengungen die Ladungsberechnung durchzuführen und bei der Suche nach Kampfmitteln auch die Flugbahn berechnen zu können. Die Soldaten müssen also ganz schön viel beherrschen.
Nach der Einführung, stöberte die Gruppe durch das Lager, in dem die Ausrüstung der Taucher aufbewahrt wird. Die gut 20 kg schweren Helme, die an die gelben Minion-Köpfe aus dem gleichnamigen Kinofilm erinnern, lassen sich kaum aus dem Regal heben. Mit der „Vollgesichtsmaske“ kann man auch problemlos durch kontaminierte Gewässer tauchen, auch im sogenannten „Schwarzwasser“ – also gänzlich ohne Sicht – fühlt man sich damit vermutlich wohler. Der Taucher ist zudem bei der Ausbildung unter Wasser durch ein Art Telefon mit seinem Leinenführer verbunden und kann so den Kontakt zu den Soldaten an der Oberfläche halten. Das hilft unter Wasser und in der Dunkelheit die Ruhe zu bewahren. Wenn die Taucher bei einem Einsatz unbemerkt bleiben wollen, nutzen sie den „Re-Breather“ statt einer normalen Pressluftflasche. Dabei atmet man, in maximal 7m Tiefe, in eine Gegenlunge aus Kunststoff. Der Atem wird mit Kalk gereinigt. Vorteil: an der Wasseroberfläche sind keine Luftblasen zu sehen – man bleibt also völlig unsichtbar.
Nach dem Rundgang ging es dann mit dem etwas klobigen, aber PS-starken Motorboot der Bundeswehr rasant auf den See hinaus. Auf dem Tauchausbildungsfloß – dem schwimmenden Haus auf dem See – konnten die BesucherInnen die Taucher live und in Aktion erleben: Wie das Schweißen unter Wasser funktioniert, konnte man über eine Kamera beobachten. 80 Kilogramm wiegt allein die Ausrüstung, mit der der Soldat in dem Übungskorb steht, der für einen standfesten Untergrund sorgt. Ein anderer Taucher hatte die Aufgabe, den Grund des umliegenden Gebietes nach Kampfmitteln abzusuchen.
Sobald ein Taucher unter Wasser ist, ist er automatisch immer im Einsatz: als sich plötzlich die rote Boje an der Wasseroberfläche heftig bewegt und über das Mikrofon eilig der Hauptmann gerufen wird, halten es die TeilnehmerInnen noch für eine besonders spannende Übung, die extra für den Besuch inszeniert wurde. Doch schnell ist klar, das hier ist ein echter Alarm: der tauchende Soldat hat eben Sprengstoff auf dem Grund des Sees gefunden. Doch zu keinem Zeitpunkt besteht Gefahr für Soldaten und BesucherInnen. Am nächsten Tag wird dann der Blindgänger mit entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen geborgen. Begeistert von den ganzen Eindrücken geht es dann zurück an Land in den eigenen Hafen der Kaserne. Im Sommer ist die private Liegewiese natürlich ein echtes Highlight für die Auszubildenden, vor allem wenn nebenan am „Percha Beach“ die Badegäste dicht an dicht auf ihren Handtüchern liegen. Grund genug für viele Soldaten, auch nach ihrer Ausbildung mal zum Baden hier an den Starnberger See zu kommen und die Kaserne zu besuchen.