– das Bullerbü der Bundeswehr?
Wer weiß, was ein KpfmAbwTaucher ist? Wozu man einen Re-Breather braucht und wie man unter Wasser Scooter fährt? Wir jetzt schon.
Jeder, der öfters am Starnberger See ist, kennt das Holzfloß mit dem Haus drauf, das Sommer wie Winter beinahe täglich auf dem Starnberger See schwimmt: Die Tauchinsel der Bundeswehr - näher als 50m darf da eigentlich keiner ran…außer uns! Und dabei haben wir einen neuen charmanten Platz entdeckt. Umzäunt von Stacheldraht zwar, aber mit sensationellem Zugspitzblick und eigenem Hafen.
Eine private Liegewiese am See, während nebenan am Percha Beach sich die Badegäste drängeln. Wer träumt nicht von so einem eigenen Seegrundstück? Dazu kleine idyllische Holzhäuschen mit roten Fensterläden, verteilt auf der grünen Wiese. „Ein bisschen sieht‘s hier aus wie im Ferienlager für Erwachsene“, gibt der Ausbilder und Hauptmann Stephan Kühlmann schmunzelnd zu. Doch so gemütlich wie es scheint, ist es dann doch nicht, darauf weisen schon der Stacheldraht und das Hinweisschild „militärisches Sperrgebiet“ hin.
Seit fast 60 Jahren ist das Tauchausbildungszentrum in Percha stationiert. Die Vorgabe von Seiten des Landkreises war damals, dass sich die zu errichtenden Gebäude „dem Landschaftsbild anpassen“ sollen. So ist die charmante kleine Siedlung entstanden, die erstmal so gar nicht nach Bundeswehr aussieht. Eine Stammbesetzung ist dauerhaft vor Ort stationiert, darunter sind zwei Köche und LKW-Fahrer. Dazu kommen die Soldaten auf Lehrgang – die hier in 45 Wochen die Grundlagenausbildung zum Pioniertaucher absolvieren. Wer selbst Einsatzleiter werden will, braucht sogar bis zu 7 Jahre, da heißt es langfristig denken. „Eigentlich liegt die Altersobergrenze für Taucher erst bei 52 Jahren “, erklärt Hauptmann Kühlmann, „aber nachdem das eine langwierige Ausbildung ist, sollte man natürlich nicht zu spät anfangen. Wir wollen ja auch was von den Leuten haben, wenn sie fertig sind.“ Bewerbungen von Frauen gab es bisher noch nicht, obwohl man sich auch darauf eingerichtet hat und es begrüßen würde, wenn auch mal eine Taucherin mit dabei wäre.
Der Raum, in dem die Ausstattung lagert, gibt einen ersten Eindruck, was die Soldaten so alles anstellen können – als „KpfmAbwTaucher“ oder „Kampfmittelabwehr-Taucher“, wie es ausgeschrieben heißt. Alles ist sehr ordentlich sortiert und auf schönen alten Schildern mit fein-säuberlicher Handschrift beschriftet. Die gut 20 kg schweren Helme, die entfernt an die gelben Minion-Köpfe aus dem gleichnamigen Kinofilm erinnern, lassen sich kaum aus dem Regal heben. Zusammen mit den schweren Eisen-Schuhen kann man sich gut vorstellen, dass man automatisch auf dem Grund bleibt. „Im Wasser hebt sich das wieder auf mit dem Gewicht“, beruhigt der Ausbilder, als er die fragenden Blicke sieht. Fast wie im James-Bond-Film fühlt man sich beim Anblick des Unterwasser-Scooters: eine Art kleine schwarze Rakete mit zwei Griffen, die den Taucher bei Bedarf kilometerweit flott durchs Wasser zieht, um zügig zum Einsatzort zu kommen. Mit der etwas gruseligen „Vollgesichtsmaske“ kann man auch problemlos durch kontaminierte Gewässer tauchen, auch im sogenannten „Schwarzwasser“ – also gänzlich ohne Sicht – fühlt man sich damit bestimmt wohler. Wenn die Taucher bei einem Einsatz unbemerkt bleiben wollen, nutzen sie den „Re-Breather“ statt einer normalen Pressluftflasche. Dabei atmet man in maximal 7m Tiefe in eine Gegenlunge aus Kunststoff, der Atem wird dann mit Kalk gereinigt. Vorteil: an der Wasseroberfläche sind keine Luftblasen zu sehen – man bleibt also völlig unsichtbar.
„Am liebsten ist es uns, wenn jemand zum Beispiel von Beruf Schlosser ist“, erklärt Hauptmann Kühlmann. „Wir arbeiten ja viel mit Metall, ein Schlosser kann schon schweißen, er muss es nur noch unter Wasser lernen.“ Viel Mathematik gehört auch dazu, schließlich müssen die Soldaten bei Sprengungen die Ladungsberechnung durchführen und bei evtl. Suche nach Kampfmitteln auch die Flugbahn berechnen können. Ohnehin ist die Ausbildung in Deutschland sehr intensiv und mit viel Theorie-Wissen, wenn man es mit anderen Ländern vergleicht, das gibt sogar der Ausbilder selbst zu. Doch der Tag will ja gefüllt sein und länger als 6 Stunden darf man nicht tauchen, das schreiben die Mediziner vor. Im 4 Grad kalten Wasser des Starnberger Sees ist man danach mit Sicherheit auch ordentlich durchgekühlt – trotz Neopren und Trockenanzug. Bis maximal 50 Meter geht man hier in die Tiefe hinunter. Viel Unterschied ist da im Übrigen gar nicht zwischen Sommer und Winter: Unter der sogenannten Sprungschicht ist der See recht konstant diese 4 Grad kalt – unabhängig von der Jahreszeit. Wenn es nach dem Ausbilder Stefan Kühlmann geht, ist der Winter sowieso die schönere Jahreszeit: „Dann kehrt Ruhe ein und der Blick auf die Berge ist so viel klarer und schöner als im diesigen Sommer.“ Tja, bleibt nur noch ein Problem: wer einmal einen Arbeitsplatz in solch einer privilegierten Lage hatte, will doch nie wieder weg, oder?! „Das ist in der Tat schwierig“, lächelt er vielsagend.
Was macht einen wirklich guten Taucher aus?
Körperliche Fitness ist natürlich wichtig. Mit verschiedenen Eingangstests stellen wir fest, ob jemand sportlich genug ist für eine Tauchausbildung – und das ist oft keine Sache des Alters. Dazu brauchen wir unbedingt Leute, die gute Nerven haben, selbstständig denken und handeln und Verantwortung übernehmen. Wenn man 50 Meter unter der Wasseroberfläche ist, kann man nicht mal kurz auftauchen und eine Frage stellen oder sich mit andern absprechen. Da unten ist man ein Stück weit allein und muss in der Lage sein, mit Ruhe und Übersicht die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das wird bei uns trainiert, indem wir die Soldaten gezielt unter Druck setzen, um deren Reaktionen zu testen.
Warum ist Percha am Starnberger See so gut geeignet als Standort für eine Tauchausbildung?
Kurze Wege sind für uns ausschlaggebend. Mit dem Starnberger See haben wir nicht nur ein Binnengewässer vor der Tür, das sich gut zum Tauchen eignet, sondern auch die für uns wichtigen Einrichtungen im direkten Umkreis. Die Feuerwache in München, das Klinikum in Murnau – alles ist im Notfall in einer halben Stunde erreichbar. Dazu gab und gibt es gute Kontakte zum Landratsamt Starnberg. Wenn möglich, kooperieren wir auch gerne und bieten mal eine Besichtigung für Kindergärten oder Schüler an. Wer sich beim Karrierecenter der Bundeswehr bewirbt, kann hier auch ein Praktikum machen. Und außerdem ist es schon ein besonders schönes Fleckchen Erde, von dem man nur ungern wieder weg will.
Wo werden die Taucher der Bundeswehr eingesetzt?
Pioniertaucher würden zum Beispiel bei einem militärischen Auftrag vorangeschickt, wenn es darum geht, unbekanntes Terrain zu erkunden, beispielsweise in Flüssen: Kann die Brücke befahren werden? Sind Sprengsätze unter Wasser versteckt? Außerdem „arbeiten“ wir ganz einfach unter Wasser. Wir können Bolzen schießen, Sprengungen vornehmen und im Wasser schweißen und so auch ein Boot reparieren oder Hafenanlagen instandsetzen.
In der zivilen Nutzung helfen wir, wenn der Katastrophenfall ausgerufen wird, zum Beispiel bei der Oder-Flut oder bei größeren Unglücksfällen. Hier im Starnberger See haben wir selbst schon zwei Blindgänger aus dem zweiten Weltkrieg gefunden und mit dem Räumkommando gemeinsam geborgen. Auch für Museen können wir in der Tiefe versunkene Gegenstände rausholen und haben auch schon mal einem Segler das Smartphone vom Grund gerettet. Das machen wir allerdings nur, wenn wir ohnehin gerade eine Übung haben und einen „Suchauftrag“ fingieren.
Sie dürfen gespannt sein, denn 2019 ermöglichen wir auch Ihnen die Besichtigung des Tauchausbildungszentrums in Percha.
Bei Interesse schreiben Sie uns an wasserregion@starnbergammersee.de.